Österreich

Neuer Unfallbericht zum Achensee-Absturz

Die Unglücksmaschine am Heliport der Flugeinsatzstelle Innsbruck, aufgenommen etwas mehr als ein Jahr vor dem Crash - Foto Roberto Bianchi / Piti Spotter Club

Mehr als acht Jahre nach dem Absturz eines EC 135 der Flugpolizei in den Achensee mit vier Toten wurde nun ein neuer Unfallbericht des Verkehrsministeriums mit einer "wahrscheinlichen Ursache" veröffentlicht. Doch etliche Fragen bleiben dennoch weiter offen.

Am 30. März 2011 startete Stützpunktleiter Chefinspektor Markus Pumpernick als Pilot (Gesamtflugerfahrung rund 2.300 Stunden und 4.800 Starts/Landungen) den EC 135, OE-BXF, der Flugpolizei von der Flugeinsatzstelle Innsbruck aus zu einem Einsatzflug. Mit an Bord waren Chefinspektor Herbert Fürrutter, Revierinspektor Stefan Lechner sowie der Schweizer Stefan Steiner, der als Angehöriger der Schweizer Grenzschutztruppe offiziell Mitglied dieses Einsatzfluges war.  Knapp eine Stunde nach dem Start stürzte der EC 135 in den Achensee, wobei alle vier an Bord befindlichen Personen unmittelbar ums Leben kamen. Rund drei Wochen nach dem Unglück wurde am Unfallort eine Gedenkfeier abgehalten, bei der auch eine Tafel mit den Namen der Verunglückten enthüllt wurde.

Die Flugpolizei selbst führte eine intensive Untersuchung durch und kam zu dem Schluss, dass die Unfallursache nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte. In Frage kämen etwa Flicker Vertigo beim Piloten, ein Vogelschlag oder eine sonstige plötzliche gesundheitliche Beeinträchtigung des Piloten. Ein Flugschreiber sowie ein Stimmenrekorder waren weder vorgeschrieben noch an Bord, was die Ursachenforschung erschwerte.

Nach wiederholten Berichten von einigen Journalisten, die mitunter bei manchen Lesern den Eindruck erweckten, sie würden einen „privaten Feldzug“ gegen die Flugpolizei und den tödlich verunglückten Piloten führen, veröffentlichte das Verkehrsministerium nun einen neuen Bericht.

Darin wird die These der Journalisten, der Pilot sei „wilde Stunt-Manöver“ geflogen oder habe (laut einem angeblichen Augenzeugen) „Absturzübungen“ durchgeführt, zweifelsfrei widerlegt.

Vielmehr stellt das Ministerium in seinem Bericht nämlich unmissverständlich fest, dass der von Kollegen als „ruhig, besonnenen und erfahren“ beschriebene Markus Pumpernick die Betriebsgrenzen des Helikopters jederzeit eingehalten habe.

"Während des gesamten Fluges wurden die sicheren Betriebsgrenzen des Hubschraubers, einschließlich der des Mastmoments, nicht überschritten."
Zitat aus dem Abschlussbericht

Zudem wird dem Piloten darin auch explizit eine „sehr professionelle Steuerführung“ attestiert. Trotzdem sehen die Ermittler schlussendlich einen mutmaßlichen Pilotenfehler sowie Fehler im „System Flugpolizei“ als unfallursächlich an.

Allerdings konnte auch das Verkehrsministerium die Ursache nicht mit absoluter Sicherheit klären und so ist im Bericht lediglich von einer "wahrscheinlichen Unfallursache" die Rede: "Controlled Flight Into Terrain", in diesem Fall die Oberfläche des Achensees, "mit hoher Fluggeschwindigkeit".

Das von der Flugpolizei bereits vor Jahren angeführte Flicker Vertigo als eine mögliche Unfallursache schließt das Verkehrsministerium jedoch aus. Laut dem Bericht liege der "kritische Frequenzbereich" nämlich bei "4 bis 20 Hertz". Laut den Berechungen liegt beim Rotor des EC 135 eine Flicker Frequenz von 26,3 Hertz vor, was folglich "außerhalb des kritischen Bereiches" sei.

Dem allerdings widerspricht die "Flight Safetey Foundation" in einer Publikation aus dem Jahr 2004, in welcher der kritische Bereich mit "25 bis 55 Hertz" angegeben wird und zudem "von Mensch zu Mensch variabel" sei.

"Beim Piloten handelte es sich um einen überaus umsichtigen Piloten. Dies ergab auch die anonymisierte Umfrage der Flight-Operatoren. Sein Einsatz- und Flugverhalten wird von allen Beteiligten als überaus korrekt und verantwortungsbewusst eingestuft.“
Stellungnahme der Flugpolizei vom 27. April 2012 zum Unfall

Bei der Flugpolizei sieht man nicht zuletzt in der Persönlichkeit des Piloten (obiges Zitat) ein Indiz dafür, dass der letzte Teil des Unglücksfluges bis zum Absturz ein "unkontrollierter Flugverlauf" gewesen sei.

Weitere Untersuchungen nicht ausgeschlossen
Wie Austrian Wings aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, soll das letzte Wort in dieser Causa allerdings noch nicht gesprochen sein. Hinter vorgehaltener Hand wird in Pilotenkreisen nämlich davon gesprochen, dass der neue Bericht zahlreiche Mängel aufweise. So heißt es in dem Bericht unter anderem, dass sowohl der Gurt des Piloten (rechter vorderer Sitz) als auch der des Flugbeobachters (linker vorderer Sitz) und die Gurte der beiden Passagiere geöffnet gewesen seien - ein absolutes "NoGo" während eines Fluges, das für Insider auf Unregelmäßigkeiten, etwa eine Beeinträchtigung des Piloten, hinweist. Allerdings geht der Bericht mit keinem Wort näher auf diesen Umstand ein. "Auch sonst gibt es einige Dinge in der Darstellung, die hinterfragenswert scheinen", so ein Pilot gegenüber unserer Redaktion.

"Es ergibt überhaupt keinen Sinn, dass sich während eines Fluges alle vier Personen an Bord abschnallen, wenn nicht plötzlich ein außergewöhnliches Ereignis aufgetreten ist."
Ein Pilot

Flugpolizei-Chef Werner Senn, selbst aktiver Einsatzpilot und studierter Jurist, wollte sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu der Causa nicht äußern.

(red HP)