Reportagen

Fotoreportage: Ukraine International Airlines - 30-jähriges Jubiläum mitten im Krieg

Trotz des brutalen russischen Angriffskrieges sind Optimismus und Zuversicht der Ukrainer ungebrochen; diese Besatzung führte im Sommer mit einem rechtzeitig in Sicherheit gebrachten Flugzeug einen Sondercharterflug durch und posierte anschließend für den Fotografen - Foto: UIA

Vor 30 Jahren, im Oktober 1992, wurde Ukraine International Airlines aus der Taufe gehoben. Am 25. November 1992 fand der erste Flug statt, wenige Jahre später stiegen die Traditionsfluglinien Swissair und Austrian Airlines bei der jungen Airline mit ein. Doch das 30-jährige Jubiläum der blau-gelben Nationalfluglinie der Ukraine ist ein trauriges. Denn anstatt Passagiere zu befördern, müssen so gut wie alle Jets der Airline wegen des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auf dem Boden bleiben. Eine Vielzahl von Flugbegleitern und Piloten wurde zum Militär einberufen oder hat sich freiwillig gemeldet, um ihre ukrainische Heimat gegen die Truppen des russischen Diktators und Kriegsverbrechers Wladimir Putin zu verteidigen. Diese Reportage über Ukraine International Airlines ist daher den ungebrochenen Menschen in der Ukraine gewidmet, den Frauen, Kindern und Alten, die bei Eiseskälte und Dunkelheit, hungernd und ohne zu wissen, ob sie den nächsten russischen Terrorangriff überleben, in Bunkern und U-Bahn-Schächten verzweifelt Schutz vor den explodierenden Raketen suchen - und den heroisch kämpfenden Soldaten der ukrainischen Streitkräfte, die bereit sind, für die Freiheit ihrer ukrainischen Heimat und damit letzten Endes auch für die Freiheit Europas, den höchsten Preis zu zahlen. Slawa Ukrajini!

Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 schossen in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Riesenreiches jede Menge Fluglinien aus dem Boden - die meisten waren ausgesprochen kurzlebig und verschwanden schnell wieder von der Bildfläche. Auch um die Flugsicherheit war es in jenen Tagen katastrophal bestellt. Schlechte Wartung der Flugzeuge, schlecht ausgebildete Piloten, die nicht selten alkoholisiert im Cockpit saßen, führten dazu, dass das Fliegen in dieser Region ein gefährliches Abenteuer war. Unfälle waren häufig.

Mit modernen westlichen Jets an den Start gegangen
Die am 1. Oktober 1992 formell gegründete Ukraine International Airlines, kurz UIA, wollte das ändern. Sie wurde von der Civil Aviation Association of Ukraine und der größten irischen Leasinggesellschaft, Guinness Peat Aviation (GPA), gegründet. Valery Nazarenko wurde Leiter der neuen Fluggesellschaft. Übrigens, zu den Gründern von Guiness Peat Aviation gehörte 1975 auch ein gewisser Tony Ryan, der später einer der Gründungsväter von Ryanair werden sollte.

Mit der 737-400 fing alles an, diese Maschine wurde in Tel Aviv fotografiert - Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Ukraine International Airlines war das Pendant zur Air Ukraine, die aus der ukrainischen Division der vormals sowjetischen Aeroflot hervorgegangen war. Anders als Air Ukraine, die zunächst eine veraltete Flotte aus Tupolevs und Antonovs betrieb, entschied sich das Management der neuen Ukraine International Airlines von Anfang an für modernes westliches Fluggerät. Es gelang UIA als erster Fluggesellschaft innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) moderne westliche Flugzeuge zu beschaffen. Für den Anfang wurden zwei Boeing 737-400 mit je 170 Sitzplätzen geleast (UR-GAA und UR-GAB) und am 25. November 1992, weniger als 1 Monat nach der Gründung, hob der Erstflug von Kiew nach London ab. Wenig später nahm die junge Gesellschaft auch Flüge von Kiew nach Berlin, Paris, Frankfurt, Wien, Mailand, Brüssel, München und Amsterdam auf. Vor allem für westliche Reisende und Geschäftsleute entwickelte sich Ukraine International Airlines rasch zu einer sicheren und zuverlässigen Alternative zu den teils abenteuerlichen "Mini-Airlines" und ihren Seelenverkäufern, die überall in der ehemaligen Sowjetunion wie Pilze aus dem Boden schossen.

"Oldies but Goldies"
Doch auch, wenn UIA von Anfang auf westliche Qualität und entsprechendes Fluggerät setzte, war das wirtschaftliche Umfeld ausgesprochen herausfordernd, die Bilanzen sahen nicht besonders rosig aus. Deshalb retournierte die Airline 1994/95 ihre Boeing 737-400 zunächst und ersetzte sie durch kleinere und ältere Boeing 737-200, die ebenfalls von der irischen GPA geleast wurden. Die beiden 1982 beziehungsweise 1984 gebauten Maschinen erhielten die Registrierungen UR-GAC und UR-GAD. Im Jahr 1996 stiegen die österreichische Austrian Airlines und die Schweizer Traditionsfluglinie Swissair bei UIA ein, wodurch der vom ukrainischen Staat gehaltene Anteil auf rund 62 Prozent sank.

Wegen zu hoher Kosten wurden die 737-400 bald durch günstigere 737-200 ersetzt, hier eine Maschine auf dem Flughafen Frankfurt - Foto:

In der Folge leitete die Airline einen Flotten- sowie Netzwerksausbau ein und beschaffte mehrere Boeing 737-300 und Boeing 737-400 sowie 737-500.

Die 737-300 blieben lange im Dienst, erhielten Winglets und die Eyebrow-Windows im Cockpit wurden durch Blenden ersetzt - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Über die Jahre betrieb UIA fast alle Modelle der 737-Classic Reihe, hier eine 737-500 - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew

Im Juni 2001 reiste Papst Johannes Paul II. mit einer Boeing 737-300 der UIA von Kiew nach Lemberg und von dort weiter nach Italien. Auch in den kommenden Jahren setzte das Unternehmen auf Wachstum, vor allem nachdem Mitbewerber Air Ukraine 2002 den Betrieb einstellte. 2005 wurden die bewährten aber alten Boeing 737-200 ausgemustert. Im Jahr 2008 wurde eine zum Frachter umgebaute Boeing 737-300 in Dienst gestellt, die ihren Erstflug auf der Strecke Kiew - Wien - Kiew hatte und bis zu ihrer Ausmusterung im Jahr 2017 regelmäßig in Wien zu Gast war.

Günstige Preise, hohe Sicherheitsstandards und das Bordservice einer Qualitätsfluglinie machten Ukraine International bei vielen Reisenden beliebt - Foto: UIA

Im Sommer 2009 begann mit der Einflottung der ersten Boeing 737-800 ein neues Zeitalter bei UIA. Bis 2021 ersetzen die "Next Generation" Modelle der 737, die Boeing 737-800 und Boeing 737-900ER, sukzessive vollständig die "klassischen" 737 der Baureihen -300, -400 und -500.

Boeing 737-800 auf dem Flughafen Kiew-Borispol - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew
Landeanflug einer 737-800 auf Kiew - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew

Privatisierung und Langstrecke
Parallel dazu hatte sich auch in anderen Bereichen der Airline einiges verändert. Der ukrainische Staat trennte sich 2011 von allen Anteilen und privatisierte UIA vollständig. Neben anderen Investoren stieg die AUA mit insgesamt 22,52 Prozent beim ukrainischen Flagcarrier ein. Viele Jahre lang trugen UIA-Flüge zwischen Wien und Kiew auch eine Austrian Airlines Flugnummer - und umgekehrt. 2011/12 begann die Fluggesellschaft mit der Einflottung von drei AN-148 des ukrainischen Flugzeugbauers, die jedoch schon 2013 wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit wieder abgestoßen wurden. 2010 betrug der Anteil von UIA am ukrainischen Markt rund 28 Prozent. In den Folgejahren stieg dieser Anteil, unter anderem durch die Pleite oder Betriebseinstellung von Mitbewerbern, stetig an und erreichte 2015/16 etwa 73 bis 76 Prozent.

Zuletzt bestand die Langstreckenflotte aus zwei Boeing 767-300ER - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew

Im Jahr 2013 stieg die Airline mit dem stilisierten Falken am in den ukrainischen Nationalfarben lackierten Seitenleitwerk in das Langstreckengeschäft ein und begann zusätzlich mit der Einflottung von Embraer E-190 und E-195.

Piloten eines Embraer - Foto: UIA
Embraer E190 bei der Landung in Kiew - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew

Am 9. Dezember 2013 flog eine Boeing 767-300ER der Gesellschaft erstmals die Strecke Kiew - Bangkok, wenige Monate später, am 25. April 2014, wurde New York in den Flugplan aufgenommen. Dort gibt es bereits seit dem 17. Jahrhundert eine große ukrainische Diaspora. Damit wurde gleichzeitig auch der direkte Flugverkehr zwischen der Ukraine und den USA wieder aufgenommen, der nach der Insolvenz des Mitbewerbers Aerosvit zwangsläufig ruhte. Ein Jahr später, 2015, hoben die blau-gelben Langstreckenjets des ukrainischen Flagcarriers dann auch nach Peking ab. Im gleichen Jahr stellte die Fluggesellschaft ihre Flüge nach Moskau und St. Petersburg als Reaktion auf die im Jahr zuvor erfolgte völkerrechtswidrige russische Besetzung der Krim, die ukrainisches Staatsgebiet war und ist, ein.

Ausbau der Langstreckenflotte
Im Jahr 2018 stieß dann die erste von insgesamt drei Boeing 777-200ER zur Flotte von Ukraine International, was zu einem weiteren Ausbau des Langstreckennetzwerkes führte. Eine vierte für die Airline vorgesehene Maschine nahm die Fluggesellschaft wegen Qualitätsmängeln nicht ab. Am 16. November des gleichen Jahres grüßte die Fluggesellschaft ihren 50-millionsten Passagier - der junge Mann war auf dem Flug PS 127 von Kiew nach Paris gebucht.

Die Boeing 777-200ER waren nur kurz in der Flotte und wurden 2020 wieder ausgemustert - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew

Im Laufe der Jahre schloss UIA zudem Codeshareabkommen mit zahlreichen Airlines, darunter auch die AUA, ab. Zuletzt (mit Stand 2022) bestehen derartige Abkommen mit Air Astana, Alitalia, Azerbaijan Airlines, Air Baltic, Dniproavia, Delta Air Lines, El Al, Iberia, KLM, Wind Rose, TAP Portugal und Turkish Airlines.

Kiew ist Homebase und Hub der Fluggesellschaft - Foto: GS / Austrian Wings Media Crew

Bye, bye, 777
Die drei Boeing 777-200ER wurden nach kurzer Zeit im Jahr 2020 wieder ausgeschieden, die Langstrecken fortan wieder ausschließlich von den Boeing 767 bedient. Eine im September 2021 angekündigte Beschaffung von zwei gebrauchten Boeing 777-300 kam aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022 nicht mehr zustande.

Tod durch die Mullahs - der einzige tödliche Absturz
Den schwärzesten Tag ihrer Geschichte erlebte Ukraine International Airways am 8. Januar 2020. Damals schossen die Islamischen Revolutionsgarden des radikalen Mullah-Regimes in Teheran den UIA Flug 752 auf dem Weg von Teheran nach Kiew kurz nach dem Start mit zwei Boden-Luft-Raketen ab, obwohl sich die Maschine exakt auf Kurs befand, wie Austrian Wings berichtete. Bestritt das Regime in Teheran zunächst jede Verantwortung, gestand es später ein, für den Abschuss und die Tötung der 176 Menschen an Bord verantwortlich zu sein. An Bord befanden sich viele Kanadier iranischer Abstammung, die Verwandte in der alten Heimat besucht hatten und über Kiew auf dem Weg zurück nach Kanada waren. Die Familien jener Menschen, die auf Flug 752 Opfer des Teheraner Regimes wurden, das derzeit friedliche Proteste von Frauen gegen den Kopftuchzwang blutig niederprügeln und niederschießen lässt, haben eine eigene Organisation ins Leben gerufen: "PS 752 Justice". Der durch die Islamischen Revolutionsgarden des Iran verursachte Verlust dieser Maschine blieb der einzige Absturz in der 30-jährigen Geschichte von Ukraine International Airlines.

Rund zwei Monate nach dieser Aufnahme, die eine fröhliche unbeschwerte Flugbegleiterin zeigt, überfiel Russland die Ukraine - Foto: UIA

Corona und Putins verbrecherischer Angriffskrieg
Die wenige Monate nach dem Abschuss von Flug PS 752 ausgebrochene und bis heute andauernde Corona-Pandemie traf auch Ukraine International hart. Der reguläre Passagierflugbetrieb wurde eingestellt, eine Boeing 767-300ER zum "Prachter" für Frachtflüge umgebaut. Erst 2021 begann sich die Branche wieder langsam zu erholen. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Flotte von UIA aus 12 Boeing 737-800, 4 Boeing 737-900ER, 2 Boeing 767-300ER, 5 Embraer E-190 sowie 2 Embraer E-195.

Ein Bild aus besseren Tagen ... - Foto: UIA

Das Streckennetz umfasste zuletzt mehr als 80 Destinationen in Europa, Asien und dem Nahen Osten. Als Langstreckenziele wurden New York und Toronto angesteuert, nachdem die Verbindung nach Bangkok 2020 aufgegeben worden war. Zusätzlich zu den internationalen Verbindungen unterhielt die Fluggesellschaft auch ein Inlandsflugnetz. Pro Woche führte UIA rund 1.000 Flüge durch. Homebase und Hub der Airline war der Flughafen Kiew Borispol.

Das Streckennetz im Jahr 2020 - Foto: UIA

Doch während andere Fluglinien im Jahr 2022 bei den Passagierzahlen (fast) wieder ihr Vor-Coronaniveau erreichten, musste Ukraine International am 24. Februar den Betrieb einstellen. Denn an diesem Tag überfielen Truppen des russischen Diktators und Kriegsverbrechers Wladimir Putin die Ukraine völkerrechtswidrig und überziehen das Land seither mit einem von tagtäglichen russischen Kriegsverbrechen (Plünderungen, Morde, Vergewaltigungen, Verschleppungen von ukrainischen Kinder, gezielter Beschuss ziviler Infrastruktur, u.v.m.) geprägten Angriffskrieg.

Diese Grafik postete UIA anlässlich des russischen Überfalls auf die Ukraine in Sozialen Medien, um die Streitkräfte, die die ukrainischen Heimat verteidigen, zu ehren - Foto: UIA

Ein Teil der Flugzeuge konnte zuvor aus der Ukraine ausgeflogen werden und kommt seither immer wieder im Wetlease für andere Fluggesellschaften sowie auf Sondercharterflügen zum Einsatz. Die enormen finanziellen Verluste bedrohen UIA substanziell, doch wie das gesamte ukrainische Volk gibt auch die Fluglinie nicht auf.

Jung, dynamisch, selbstbewusst, gastfreundlich und immer für einen Spaß zu haben: Piloten von Ukraine International beim "Fun-Fotoshooting" auf dem Vorfeld - Foto: UIA

"In den 30 Jahren unseres Bestehens haben wir mehr als 60 Millionen Passagiere auf rund 600.000 Linien- und Charterflügen transportiert. Wir wünschen uns, bald wieder Gäste an Bord unserer Flugzeuge begrüßen zu dürfen und sind zuversichtlich, dass wir zu einem regulären Flugbetrieb zurückkehren können. Wir tun alles, um die Einsatzbereitschaft unserer Flotte und Mitarbeiter zu gewährleisten. Wir glauben an den Sieg und daran, dass die unsere Flugzeuge sich eines Tages wieder in Frieden in den Himmel über der Ukraine erheben werden", teilte die Airline anlässlich ihres 30. Firmenjubiläums mit.

З Днем народження МАУ! - Foto: UIA

Es ist der Airline, ihren Mitarbeitern und den Menschen in der Ukraine von ganzem Herzen zu wünschen. Möge dieser Tag eher früher als später kommen.

Text: NG