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Germanwings-Crash: Neue Vorwürfe gegen Lufthansa und Aufsichtsbehörde

Heute beginnt in Hamburg der deutsche Ärztetag. Auch der Germanwings-Absturz, der durch den psychisch kranken Ersten Offizier Andreas Lubitz vorsätzlich herbeigeführt wurde, soll dabei aufgearbeitet werden - aus Ärztesicht. Das "Hamburger Abendblatt" sprach bereits im Vorfeld der Veranstaltung mit Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer und der Hamburger Ärztekammer. In dem Interview erhebt der Mediziner schwere Vorwürfe gegen die Germanwings-Mutter Lufthansa sowie die zuständige Aufsichtsbehörde.

Auf die Frage, ob die Ärzte von Lubitz dessen Arbeitgeber informieren hätten müssen, antwortete Montgomery: "Laut dem Bericht der französischen Behörden ist er bei vielen Ärzten gewesen und hat oft auch gar nicht angegeben, dass er Pilot ist. Viele davon waren Augenärzte. Denn er hatte offenbar Sorge zu erblinden und seine Lizenz zu verlieren. Keiner dieser Ärzte hat Gedanken zu einem erweiterten Suizid diagnostiziert. Wir finden es als Ärzte erschreckend, dass das Luftfahrbundesamt und die Lufthansa wussten, dass dieser Pilot eine schwere depressive Erkrankung in der Vorgeschichte hatte und dann keine besonderen Untersuchungen durchgeführt hat. Ich finde, dass die Lufthansa als Arbeitgeber und das Luftfahrtbundesamt als Aufsichtsbehörde versagt haben. Sie hätten diesen Piloten häufiger untersuchen müssen. In solchen Fällen reicht eine jährliche Untersuchung, wie sie die Regel ist, nicht aus."

Gleichzeitig kritisierte Montgomery, dass sowohl der fliegerärztliche Dienst der Lufthansa als auch das Luftfahrtbundesamt nicht genau genug hingeschaut hätten: "Dabei ist auch zu kritisieren, dass die fliegerärztliche Untersuchung mehr auf körperliche Befunde und Laborwerte abgestellt ist und zu wenig auf psychische Untersuchungen."

Die mangelnde Absicherung von Piloten im Falle einer Berufsunfähigkeit durch Krankheit erhhte den Druck auf diese Berufsgruppe enorm und sollte rückgängig gemacht werden, meint der Mediziner: "Früher erhielten die Piloten eine lebenslange Berufsunfähigkeitsversicherung, eine Unfit-to-fly-Versicherung. Damit erhielten sie eine Art Rente. Das hat man im Rahmen der Umstrukturierung bei der Lufthansa aufgegeben. Heute erhalten die Piloten noch eine Unfit-to-fly-Versicherung für zehn Jahre, die in etwa die Kosten abdeckt, die der Betroffene der Lufthansa für seine Ausbildung schuldet. Der Pilot Andreas Lubitz sollte noch 62.000 Euro Ausbildungskosten bei der Lufthansa bezahlen und hatte eine Unfit-to-fly-Versicherung von etwa 74.000 Euro. Da bleibt dann nichts übrig. Das ist nicht anständig. Auch die Arbeits- und Einstellungsbedingungen der Piloten führen zu einem solchen Druck, dass manche Menschen mit einer solchen Situation ein Problem haben."

(red / Titelbild: Symbolbild Germanwings - Foto: Austrian Wings Media Crew)