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Germanwings-Crash: Ermittler veröffentlichen Zwischenbericht

Rund fünfeinhalb Wochen nach dem Absturz von Flug Germanwings 9525 in den französischen Alpen mit 150 Toten hat die französische Unfalluntersuchungsbehörde heute einen offiziellen Zwischenbericht veröffentlicht. Darin werden nicht nur alle bisherigen Erkenntnisse, nach denen der Erste Offizier Andreas Lubitz das Flugzeug bewusst zum Absturz brachte, bestätigt, sondern auch ein heute erschienener Bericht der "Bild-Zeitung", wonach Lubitz bereits auf dem Hinflug von Düsseldorf nach Barcelona einen Sinkflug gewissermaßen "probte", während der Kapitän nicht im Cockpit war. Alle Zeitangaben in diesem Bericht entsprechen der UTC.

Hinflug

Nach Auswertung und Synchronisation von Cockpit Voice Recorder und Flight Data Recorder sei klar, dass der Erste Offizier um 07:20:29 Uhr auf dem Flug von Düsseldorf nach Barcelona die Anweisung der Flugsicherung, von 37.000 auf 35.000 Fuß zu sinken, zunächst bestätigte und den entsprechenden Wert am Autopiloten einstellte. Um 07:20:50 wurde auf dem Bedienpanel kurzfristig eine Höhe von 100 Fuß eingegeben und selektiert. Rund eineinhalb Minuten später sei diese Eingabe erneut getätigt worden. "Von 07:22:27 Uhr an betrug die eingestellte Höhe für die meiste Zeit 100 Fuß und veränderte sich mehrfach, bis sie sich um 07:24:13 Uhr bei 25.000 Fuß stabilisierte", schreiben die Ermittler der BEA in ihrem Bericht. Zwei Sekunden später erönte der "Türsummer für den Zutritt zum Cockpit" und Kapitän Patrick S. kehrte auf seinen Platz zurück.

Diese Darstellung gibt die extrahierten FDDR-Daten wieder und veranschaulicht die Veränderungen in den am Autopilot eingestellten Höhen - Grafik: BEA
Diese Darstellung gibt die extrahierten FDDR-Daten wieder und veranschaulicht die Veränderungen in den am Autopilot eingestellten Höhen - Grafik: BEA

Der weitere Flug nach Barcelona und die dortige Landung verliefen ohne besondere Vorkommnisse.

Rückflug

"Um 09:30:24 Uh wurden Geräusche aufgezeichnet die durch das Öffnen und dann drei Sekunden später durch das Schließen der Cockpittür hervorgerufen wurden. Danach war der Kapitän nicht mehr im Cockpit", heißt es in dem Bericht. Und weiter: Um "09:30:53 Uhr veränderte sich die eingestellte Höhe am FCU innerhalb einer Sekunde von 38.000 ft auf 100 ft. Eine Sekunde später befand sich der Autopilot in der Betriebsart OPEN DES und Autothrust in THR IDLE. Das Flugzeug begann zu sinken und die Drehzahlen beider Triebwerke verringerten sich." In der Folge veränderte Andreas Lubitz mehrfach die Einstellungen für den Sinkflug. Um 09:34:31 ertönte der Türsummer für den Zugang zum Cockpit für eine Sekunde, kurz darauf versuchte auch die Flugsicherung, Flug 9525 zu erreichen, da der A320 Höhe und Geschwindigkeit ohne Freigabe veränderte - erfolglos.

Zwischen 09:35:04 Uhr und 09:39:27 Uhr wurde viermal das Cockpit-Signal des Intercom-Telefons der Kabine, auch bekannt als Kabinenanruf, für ca. drei Sekunden aufgezeichnet. Zwischen 09:35:32 Uhr und 09:39:02 Uhr wurden sechs Mal Geräusche, ähnlich dem Klopfen einer Person an die Cockpittür, aufgezeichnet. Zwischen 09:37:11 Uhr und 09:40:48 Uhr waren mehrfach dumpfe Stimmen zu hören und um 09:37:13 Uhr bat eine dumpfe Stimme - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelte es sich dabei um Kapitän Patrick S. darum, dass die Tür geöffnet wird. Von Lubitz erfolgte jedoch keinerlei Reaktion. Dass sich die Cockpittüre nicht öffnen ließ, ist darauf zurückzuführen, dass Andreas Lubitz offenbar manuell den Schalter für die Zugangskontrolle auf "Lock" gestellt hatte. Damit waren sämtliche Personen aus dem Cockpit ausgesperrt.

Cockpit Door Lock Switch im A320, in verriegelter Position, Symbolbild
Cockpit Door Lock Switch im A320, in verriegelter Position, Symbolbild

Neben der zivilen Flugverkehrskontrolle versuchte auch die französische Luftverteidigung in diesem Zeitraum mehrmals mit dem Germanwings-Flug auf der internationalen Notfrequenz 121,5Mhz Kontakt aufzunehmen, erhielt jedoch keinerlei Antwort aus dem Cockpit.

Zwischen 09:39:30 Uhr und 09:40:28 Uhr wurden fünfmal Geräusche ähnlich dem starken Schlagen gegen die Cockpittür aufgezeichnet - mutmaßlich versuchte Kapitän Patrick S. (wie berichtet) mit einer so genannten "Crash Axe" die hermetisch verriegelte Cockpittüre einzuschlagen - ohne Erfolg.

Zwischen 09:39:33 Uhr und 09:40:07 Uhr wurden Sidestick-Eingaben mit geringer Amplitude auf der Copiloten Seite aufgezeichnet, ein eindeutiges Indiz dafür, dass Andreas Lubitz bei Bewwusstsein war und kontrollierte Handlungen setzte. Sekunden später versuchte eine andere Cockpitbesatzung Flug Germanwings 9525 über Funk zu erreichen - ebenfalls ohne Erfolg.

Master Warning im A320-Cockpit, Symbolbild aus dem Simulator.
Master Warning im A320-Cockpit, Symbolbild aus dem Simulator.

Um 09:40:41 Uhr wurde das akustische Warnsignal des GPWS "Terrain, Terrain, Pull Up, Pull Up" ausgelöst und blieb für den Rest des Fluges aktiv. Um 09:40:56 Uhr wurde eine Master Caution Warnung aufgezeichnet; dann um 09:41:00 Uhr wurde eine Master Warning ausgelöst und blieb für den Rest des Fluges aktiv. Um 09:41:06 Uhr stoppte die Aufzeichnung des CVR mit dem Aufschlag im Gelände.

Die Ermittler stellen aufgrund der Faktenlage fest: "Die ersten Informationen der Untersuchung ergeben, dass während des Reisefluges der Copilot alleine im Cockpit war. Er
hat dann die Eingaben im Autopiloten absichtlich so verändert, dass dieser das Flugzeug in den Sinkflug steuerte, bis es mit dem Gelände kollidierte. Während des Sinkfluges öffnete er nicht die Cockpittür trotz der Aufforderung für einen Zutritt über die Tastatur, die Wechselsprechanlage und Klopfen an der Tür."

(red / Titelbild: Symbolbild Germanwings - Alle Fotos: Austrian Wings Media Crew)