Punktlandung

25.000 Euro für ein Menschenleben: Lufthansas Verhalten ist einfach schäbig

Der 24. März 2015 wurde zum düstersten Tag in der Geschichte der AUA-Konzernmutter Lufthansa. An diesem Tag steuerte - so die bisherigen Erkenntnisse, an denen allerdings kaum noch Zweifel bestehen - der Erste Offizier Andreas Lubitz einen A320 der konzerneigenen Billigflugtochter Germanwings in voller Absicht gegen einen Berg und tötete damit nicht nur sich selbst, sondern weitere 149 Menschen. Während Lufthansa die Angehörigen nach dem Crash zunächst vorbildlich betreute, stellte sich die Öffentlichkeitsarbeit mitunter als Farce dar - und das, was die Airline den Hinterbliebenen der Opfer nun als Kompensation für die unermesslichen Verluste anbietet, kann man nicht einmal mehr als Chuzpe bezeichnen. Es ist schlichtweg eine Niederträchtigkeit sondergleichen.

Wie viel ist ein Menschenleben wert?

Geht es nach dem Lufthansa-Management und deren Armada an Rechtsanwälten, lautet die Antwort: 25.000 Euro. Diesen Betrag nämlich will der Kranich den Hinterbliebenen der 149 Crash-Opfer bezahlen. Die Reaktionen der Opferanwälte folgten auf dem Fuß: "Lächerlich!" - "Völlig unangemessen!" - "Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur eine Opferfamilie das annimmt!", so deren erste Stellungnahmen. Und sie haben völlig Recht. Als Verfasser dieser Zeilen musste ich erst einmal eine Nacht darüber schlafen, ehe ich mich dazu aufraffen konnte, einen Kommentar zu schreiben. Zu fassungslos war ich, als ich das erbärmliche Angebot der Lufthansa vernahm. Die Anwälte der Hinterbliebenen fordern "mindestens einen sechsstelligen Betrag", in den USA drohen der Lufthansa als Germanwings-Mutter gar Millionenklagen. Und das völlig zu Recht.

Ob Lufthansa auch strafrechtlich für den Absturz des A320 zur Verantwortung gezogen wird, werden Staatsanwaltschaft und Gericht zu klären haben. Ermittlungen wurden laut französischen Behörden jedenfalls eingeleitet.

Moralisch muss sich die Airline auf jeden Fall den Vorwurf einer zumindest massiven Mitverantwortung für den Tod von 149 unschuldigen Menschen, darunter zwei Babys, gefallen lassen. Daran führt kein Weg vorbei.

Es war Lufthansa, die mit Andreas Lubitz einen Mann seine fliegerische Ausbildung wieder aufnehmen und ihn danach Passagiere befördern ließ, obwohl in seiner Krankengeschichte depressive Phasen mit Selbstmordtendenzen aktenkundig waren. Es war der medizinische Dienst der Lufthansa, der es - nach aktuellem Kenntnisstand des Autors - unterlassen hatte, Lubitz trotz dessen problematischer Vorgeschichte regelmäßig, zusätzlich zu den behördlich vorgeschriebenen medizinischen Checks, zu psychologischen beziehungsweise psychiatrischen Screenings zu schicken. Es war Lufthansa, die (aus teutonischer Präpoptenz?) auf das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit verzichtete - eine Maßnahme, die in den USA und bei etlichen europäischen Airlines (darunter auch Low-Coster Ryanair!) seit Jahren Standard ist. Erst nach dem Absturz rang der Kranich sich zur Übernahme dieses einfachen Sicherheitskonzepts durch. Und die These, dass eine zweite Person im Cockpit die Tat von Andreas Lubitz, der mittlerweile selbst von Psychologen mit Amokläufern und Massenmördern gleichgestellt wird, womöglich verhindert hätte, ist durchaus schlüssig und damit zulässig. Denn Lubitz wagte es nicht etwa, seinen Kapitän durch Anwendung physischer Gewalt handlungsfähig zu machen, sondern wartete offensichtlich ab, bis Kapitän Patrick S. das Cockpit verlassen hatte. Erst dann verriegelte Co-Pilot Lubitz die Cockpittüre von innen mit einem Tastendruck. Erst allein im Flight Deck und mit der Gewissheit ausgestattet, bei der Ausführung seines mörderischen Planes von niemandem mehr gestört zu werden, traute er sich, diesen umzusetzen.

Mit einem einfachen Tastendruck konnte sich Lubitz im Cockpit einsperren und somit das Schicksal von 149 Unschuldigen besiegeln. Anders als bei etlichen Airlines, darunter selbst Billigflieger wie Ryanair, war bei Lufthansa das Vier-Augen-Prinzip im Cockp
Mit einem einfachen Tastendruck konnte sich Lubitz im Cockpit einsperren und somit das Schicksal von 149 Unschuldigen besiegeln. Anders als bei etlichen Airlines, darunter selbst Billigflieger wie Ryanair, war bei Lufthansa das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit nämlich vor dem Unfall nicht vorgeschrieben. Symbolbild aus dem Flugsimulator - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Aus dieser Mitverantwortung will sich Lufthansa nun mit 25.000 Euro freikaufen - eine lächerlich geringe Summe, mit der man in Österreich übrigens noch nicht einmal das Startkapital für eine reguläre GmbH beisammen hätte.

Niemand kann den Hinterbliebenen der Opfer ihre Lieben zurück geben, die einen sinnlosen Tod sterben mussten, weil Lufthansa einen psychisch schwerst angeschlagenen und damit ganz offensichtlich völlig ungeeigneten Menschen Passagiere fliegen ließ, und offenbar keinerlei ausreichend wirksamen Kontrollmechanismen, wie zuvor angesprochene regelmäßige psychiatrische Begutachtungen, vorgesehen hatte.

Das einzige, was der Kranich jetzt noch tun kann (und tunlichst sollte), ist sich würdig zu verhalten. Die angebotenen 25.000 Euro aber sind derart erbärmlich, dass sie einen weiteren Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen bedeuten.

Das Lufthansa-Management sollte sich ob dieses Angebotes in Grund und Boden schämen und schleunigst nachbessern.

Text: P. Huber
Titelbild: Symbolbild Lufthansa - Foto: Austrian Wings Media Crew

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.