Österreich

Brief eines AUA-Piloten an den Vorstand

Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2012 / 12:42 Uhr (Link hinzugefügt)

Foto: Austrian Wings Media Crew

Seit Monaten beschäftigt das Thema "AUA" die Mitarbeiter, Außenstehende, Boulevard und Fachmedien gleichermaßen. Trotz dieses ungeheuren Drucks, der auf ihnen lastet, und zum Teil dümmlichen Anfeindungen in Internetforen, bemühen sich die meisten AUA-Angestellten, weiterhin einen hervorragenden Job zu leisten. Die Austrian Wings Redaktion erreichte jetzt ein bewegendes Dokument, ein Brief eines AUA-Piloten an seine Kollegen und den Vorstand. Wir publizieren sein Schreiben an dieser Stelle ungekürzt im Originalwortlaut. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verzichten wir jedoch darauf, seinen (der Redaktion bekannten) Namen zu veröffentlichen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Vorstände!

Seit einem Jahr bin ich Kapitän bei Austrian Airlines. Eine Position, auf die ich knapp 18 Jahre lang gewartet habe. Auf die ich mich viele Jahre lang gefreut habe. Die ich mit vollem Einsatz und mit maximalem Engagement ausübe. Die mich mit Stolz erfüllt hat.

Nachdem ich die letzten Wochen und Monate über die Medien erfahren durfte, welche Unsummen ich verdiene, welche horrenden Ansprüche mir aus Titeln wie Abfertigung und Pension zustehen, wie wenig ich arbeite, wie viele Wochen Urlaub ich habe, welch Kostenfaktor ich bin, dass ohnehin alles der Autopilot für mich erledigt, muss ich Sie, werte Vorstände, jetzt leider enttäuschen.

Ich bin immer noch stolz. Ich bin stolzer denn je.

Ich sehe meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Cockpit, aus der Kabine, vom Dispatch, von Crew Control, von der Flugleitzentrale, von Hub Control, von der Planung, vom Flugbetrieb generell und denke mir jeden Tag „Was für eine großartige Mannschaft, was für ein Teamgeist, was für ein bemerkenswertes Arbeitsumfeld!“

Ich erlaube mir, der Einfachheit halber in weiterer Folge nur mehr von „Kollegen“ zu sprechen, meine damit selbstverständlich die Damen und die Herren meiner Kollegenschaft.

Ich sehe Kollegen, viele davon Freunde, die selbst in einer Situation, wie sie über die letzten Monate einseitig provoziert wurde, erhobenen Hauptes, freundlich und vor allem sicher ihre oftmals fordernde Arbeit versehen. Die selbst in der Kabine Zeitungen verteilen müssen, Blätter, die großformatig mit dem Untergang der AUA oder den unverschämten Privilegien der AUA Bord-Mitarbeiter titeln. Erst vor kurzem durfte ich wieder von den „top- verdienenden Altpiloten“ lesen, die „ohne Rücksicht auf Verluste ihre Privilegien verteidigen“. Nach kurzer Fassungslosigkeit wurde mir schlagartig wieder einmal bewusst, dass ich wohl auch einer dieser starrköpfigen, unflexiblen und realitätsfernen Herren bin.

Ich sehe meine Kollegen, die nach wie vor in der Kabine die Werte der AUA hochhalten. Professionalität, Freundlichkeit, österreichischer Charme, Flexibilität und voller Einsatz sind immer noch Dinge, die hervorstechen, die uns von anderen Airlines im positivsten Sinn unterscheiden. Trotz aller Widrigkeiten, die im tagtäglichen Einsatz aufgrund der derzeitigen Situation leider gegeben sind.

Ich sehe Kollegen, wie etwa jene von Crew Control, die in der gegenwärtigen Situation nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht und trotzdem immer freundlich und sachlich bleiben.

Ich sehe Kollegen aus dem Cockpit, die von ihrem eigenen Vorstand via Fernsehen ausgerichtet bekommen, dass ihr etwaiger Abgang "locker" gesehen wird, dass sie ohne Weiteres ersetzbar sind.

Ich sehe einen Pressesprecher, der seine Kontakte zu den Medien zur Stimmungsmache gegen die eigene Belegschaft nutzt, für mich in dieser extremen Form ein Novum und unverständlich, nicht nachvollziehbar.
Ein Pressesprecher, der erst seit wenigen Monaten in diesem Unternehmen tätig ist und keine Gelegenheit auslässt, nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern eine ganze Belegschaft, zu verunsichern und vor den Kopf zu stoßen.

Herr Pressesprecher Peter Thier. Ich möchte Sie kurz zitieren. „Austrian bleibt Austrian. Es wird sich nichts ändern. Wir fliegen auch heute mit der Triple 7 nach Peking.“ Abgesehen von einer vielleicht noch verständlichen Verwechslung, muss ich Sie fragen, ob Sie das wirklich glauben? Glauben Sie wirklich, dass bei einem Verlust von Know How, von Leistungsfähigkeit und von Identifikation mit unserer AUA eben diese AUA die selbe bleiben wird?

Anmerkung der Redaktion: Nach Peking setzt die AUA derzeit nicht die als "Triple 7" bezeichnete Boeing 777, sondern die kleinere 767 ein.

Ich sehe Kollegen, die sich plötzlich in einem Zwist mit den Kollegen der eigenen Tochterfirma sehen. Auch das vom eigenen Vorstand initiiert und provoziert.

Ich sehe Kollegen, die sich künftig mit der Tatsache auseinander setzen müssen, dass ihre Verträge nicht mehr sicher und nichts mehr wert sind, die damit rechnen müssen, dass weitere Vertragsänderungen jederzeit und willkürlich folgen werden. Selektionsprozesse sind plötzlich nicht mehr in gewohnter und bewährter Form notwendig, sogar Leihpersonal ist plötzlich ein Thema. Der von der AUA gewohnte Standard wird, wie ich lese, auch dann selbstverständlich gewährt sein. Wie das funktionieren soll, ist mir allerdings ein großes Rätsel.

Ich sehe Kollegen, die immer den Ernst einer Situation erkennen und jederzeit für die Firma ihr Bestes geben. Auch und vor allem in schwierigen Zeiten. Auch und gerade in Zeiten wie diesen.

Werte Vorstände. Ich werde nie vergessen, wie Sie mit meinen Freunden, meinen Kollegen, mit Ihren Mitarbeitern umgegangen sind. Wie Sie mit ihrem Pressesprecher und mit weiteren Verantwortlichen einen regelrechten Feldzug gegen uns und unsere Werte gestartet haben. Wie Sie versucht haben, uns nicht nur Geld und Zeit, sondern auch unseren Stolz zu nehmen. Ich weiß, dass Sie auch meine Gedanken nicht berühren werden, aber Sie sollten wissen, dass wir die Werte unserer AUA nach wie vor hoch halten. Wir selbst sind die größten Werte der AUA!

Herr Direktor Albrecht. Sie waren selbst einmal Pilot. Sie wissen selbst genau, dass es unerlässlich ist, im Cockpit mit klarem Kopf, mit wachem Verstand, mit gezieltem Fokus zu arbeiten. Was wir in den letzten Monaten an Unruhe und Unfrieden mit an unseren Arbeitsplatz genommen haben, lässt an ein Wunder grenzen, dass wir genau diese notwendige Konzentration und fliegerische Sicherheit immer noch gezeigt haben und nach wie vor zeigen.

Jetzt haben Sie den Betriebsübergang eingeleitet, demnach werden wir in Zukunft auch noch mit Ungerechtigkeiten zu rechnen haben, mit Auseinandersetzungen, die wir nie erahnt und erwartet haben. Sie haben jetzt aber nach wie vor die Chance, ein für alle Mal für Gerechtigkeit, für Sicherheit und vor allem für bleibenden Frieden innerhalb der verschiedenen Gruppen in unserem Unternehmen zu sorgen. Bitte lassen Sie diese einmalige Chance nicht ungenutzt verstreichen.

Sie werden immer wieder mit wirtschaftlichen Erfordernissen argumentieren, sehen aber scheinbar immer noch nicht die Gefahren, die rechtliche Ungewissheit und die nicht absehbaren Folgen für die AUA und Ihre Mitarbeiter und ihre Familien.

Abgesehen davon wissen Sie ohnehin bereits, dass wir selbstverständlich bereit sind, für unsere AUA Opfer zu bringen, aber nicht zu jedem Preis und vor allem nicht in der Art und Weise, die Sie gerade ohne Rücksicht auf Verluste vorantreiben. Wir waren und sind bereit, der wirtschaftlichen Lage Rechnung zu tragen. Wir wollen alle an einem Strang ziehen, erfolgreich sein, wenn man uns nur lässt und wenn man uns endlich das entsprechende Umfeld zur Verfügung stellen würde. Damit meine ich aber nicht den eingeleiteten Betriebsübergang.

Erkennen Sie endlich, dass Sie bereits Diamanten vor sich haben! Die Anzahl dieser Diamanten wird sich allerdings ohne Ihr Einlenken schnell und drastisch reduzieren.

Liebe Kollegen aus der Kabine. Ich bin stolz auf Euch, es ist mir eine Freude und eine Ehre, mit Euch arbeiten zu können. Ich würde das auch gerne weiterhin tun.

Jene, die in den letzten Tagen leider den Schlussstrich unter das Kapitel AUA gesetzt haben, werde ich, so wie viele andere auch, vermissen. Ich weiß, dass es Euch sehr schwer gefallen ist, ich wünsche Euch von Herzen Alles Gute!

Liebe Betriebsräte. Vielen Dank für Euren unermüdlichen Einsatz, vielen Dank für Euer besonnenes Handeln, vielen Dank für Eure Aufrichtigkeit! Jeder Einzelne von Euch hat meine und unsere Hochachtung!

Nicht zuletzt noch ein Wort an die Kollegen aus dem Cockpit, die, wie Herr Direktor Albrecht sagen würde, diesen Weg in das vermeintliche Happy End nicht mit uns gehen werden, die sich leider bereits gegen eine weitere Zukunft bei ihrer AUA entschieden haben:

Kurti, Christoph, Heikko, Andi, Peter, Martin, Christian, Rudi, Robert, und wie Ihr alle heißt.
Es ist so schade um jeden Einzelnen von Euch, jeder Einzelne wird uns hier abgehen! Alles Gute für Euch und Eure Familien! Bitte lasst von Euch hören!

Ich hoffe inständig, dass nicht noch weitere verdiente Kollegen gezwungen werden, einen alternativen Weg, abseits von der AUA, abseits von Österreich, manches Mal leider auch fern Ihrer Familien und Freunde, zu gehen.

P.S.: Danke für Ihre und Eure Aufmerksamkeit.
Gewisse Emotionalitäten und auch die Länge meiner zusammengefassten Gedanken bitte ich Sie und Euch zu verstehen, immerhin ist mir jetzt etwas leichter um's Austrian Herz...

P.P.S.: Es ist mir leider nicht gelungen, meine Gedanken auch weiteren Gruppen zukommen zu lassen. Ich bitte Euch, liebe Kollegen, dieses Mail, wenn Ihr glaubt, dass es von Interesse und auch von Sinn ist, weiter zu leiten. Danke.

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(red)