Punktlandung

Turkish Airlines & die Star Alliance: Politische Interessen vor Sicherheit?

Wieder einmal ist Turkish Airlines negativ in die Schlagzeilen geraten - innerhalb weniger Tage wurden zwei Flugzeuge bei der Landung zum Teil erheblich in Mitleidenschaft gezogen, Menschen kamen dabei zum Glück nicht zu Schaden. Und auch, wenn die offiziellen Untersuchungsberichte noch ausständig sind, mutmaßt der Verfasser dieser Zeilen, dass in beiden Fällen zumindest eine Mitschuld der Piloten nicht auszuschließen sein wird. Denn im Regelfall sind weder ein Überschießen der Landebahn noch eine zu harte Landung bei "absolut harmlosen Windverhältnissen", wie ein A320-Pilot anhand der vorliegenden Wetterberichte für Austrian Wings analysierte, auf technische Fehler zurückzuführen, sondern eher ein Resultat menschlicher Fehlleistung(en). Und diese beiden jüngsten Zwischenfälle sind nur die Spitze eines Eisberges, die inzwischen zahlreiche Passagiere, Brancheninsider und Piloten an der Sicherheit von Turkish Airlines - berechtigt, wie der Autor dieser Zeilen findet - zweifeln lässt. Eine Chronologie der jüngeren Vergangenheit.

  • Am 25. Februar 2009 stürzte eine 737 beim Anflug auf Amsterdam in ein Feld, neun Menschen starben, weil drei Piloten - darunter sogar ein Ausbilder!!! - völlig falsch auf ein simples technisches Problem reagiert hatten.
  • Am 4. November 2009 verlor ein A320 einen Teil der Triebwerksverkleidung in Istanbul.
  • Am 21. März 2010 kam es zu beim Start in Zürich an einer 737 zu einem Tailstrike - Pilotenfehler.
  • Am 8. Juni 2010 platzte der Reifen einer Boeing 737 bei der Landung in Istanbul.
  • Am 24. Oktober 2010 berührte ein Triebwerk eines A340 bei der Landung in Brüssel den Boden.
  • Am 31. Oktober des gleichen Jahres kam ein Airbus A310 in Casablanca kurzfristig von der Piste ab.
  • Am 19. August 2011 wurde die Tragfläche einer Boeing 737 bei der Landung in Mogadischu beschädigt.
  • Am 2. September 2011 kam ein A340 in Mumbai von der Piste ab.
  • Am 3. Juni 2013 kam es zu einem mutmaßlichen Tailstrike an einer 737 beim Start in Istanbul.
  • Am 8. Oktober 2013 kam es mit einer 777-300ER in Toronto zu einer Runway Incursion.
  • Am 13. März 2014 landete eine 737 in Bodrum auf dem Rollweg statt auf der Landebahn.
  • Am 4. Mai 2014 kam es in Istanbul beim Start einer 737 zu einer Berührung des Hecks mit dem Boden.
  • Am 3. August 2014 beobachteten Fluglotsen vom Tower in Istanbul, wie Flammen aus einem der Triebwerke eines A330 schlugen.
  • Am 24. November 2014 platzte bei der Landung einer 737 in Novosibrisk einer der Reifen.
  • Am 29. Dezember 2014 erhielt die Crew einer 737 beim Start in Düsseldorf eine Anzeige für einen Tailstrike.
  • Nur zwei Tage später leuchtet in einer 737 in Istanbul beim Start ebenfalls die Tailstrike-Warnung auf.
  • Am 25. April 2015 setzten die Piloten eines A320 in Istanbul zu hart auf, wobei die Triebwerke beschädigt wurden. Die Crew startete durch, bei der anschließenden Notlandung brach das Fahrwerk, die Maschine kam von der Piste ab.
  • Am 3. Juni 2015 platzten bei einer 737 in Sarajevo gleich zwei der Reifen am Hauptfahrwerk.
  • Am 24. Oktober erhielt die Crew einer 737 beim Start in Birmingham eine Tailstrike Warnung im Cockpit.
  • Am 4. März 2015 landeten die Piloten eines A330 unterhalb der Wetterminima in Kathmandu neben der Piste, dabei brach das Fahrwerk teilweise ein, die Maschine wurde evakuiert - Experten sprechen von einem reinen Glücksfall, dass es bei diesem Zwischenfall keine Todesopfer gab.
  • Am 9. Jänner 2016 setzten die Piloten eines A340-300 in Antananarivo kurz vor der Landebahn auf.
  • Und schließlich ereigneten sich am 2. und am 5. Mai noch - wie berichtet - Landeun- bzw. -zwischenfälle in Pristina und Tiflis.

In diese Liste gar nicht eingerechnet sind die zahlreichen tödlichen Unfälle früherer Jahre, die häufig ebenfalls recht eindeutig auf menschliches Versagen zurückzuführen waren, und über die bereits in einer gesonderten Punktlandung ausführlich berichtet wurde.

Angesichts dieser gravierenden Pannenserie stellt sich für viele Passagiere und Fachleute ernsthaft die Frage, wie Turkish Airlines die Aufnahme in die Star Alliance überhaupt gelungen ist. Denn schließlich steht dieses Luftfahrtbündnis unter großem Einfluss der Lufthansa, die wiederum für höchste Sicherheitsstandards bekannt ist - was unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass der Kranich seine Piloten pro Jahr viermal zum Simulatortraining schickt, obwohl lediglich zwei Einheiten vorgeschrieben sind.

Es kann sich daher mitunter der Verdacht aufdrängen, dass seinerzeit womöglich politische und strategische Überlegungen (Codeshare-Vereinbarungen, Überflugrechte, ...) eine Rolle gespielt hatten, als die Star Alliance Turkish Airlines aufgenommen hat, und man es mit der Sicherheit nicht so genau genommen haben könnte.

Jedenfalls wäre das Luftfahrtbündnis gut beraten, die Sicherheits- und Ausbildungsstandards seines türkischen Partners allerspätestens jetzt endlich einer intensiven Evaluierung zu unterziehen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen, und zwar ohne die geringste Rücksichtnahme auf politische Befindlichkeiten der türkischen Volksvertreter oder des die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit mit Füßen tretenden Präsidenten Erdogan - dies vor dem Hintergrund, dass Turkish Airlines sich rund zur Hälfte im Besitz des türkischen Staates befindet. Verbesserungspotential scheint vor dem Hintergrund der schier nicht enden wollenden Liste von Zwischen- und Unfällen jedenfalls mehr als genügend vorhanden zu sein. Wird es nicht endlich genutzt, steht zu befürchten, dass der nächste Zwischen- oder gar Unfall nicht lange auf sich warten lassen wird ...

Text: HP
Titelbild: Turkish 737 in Wien, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.