Punktlandung

Turkish Airlines: Wie ist es um die Sicherheit bestellt?

Turkish Airlines ist auf einem rasanten Expansionskurs, wirbt mit bestem Service um Kunden aus Europa und präsentiert sich gerne als hochmoderne, effiziente Fluglinie. Doch nicht erst seit dem heutigen Unfall, bei dem ein A330 in Katmandu offenbar die Landebahn verfehlt hat, gibt es Kritik an der Sicherheit von Turkish Airlines. Ein Kommentar zu diesem Thema aus gegebenem Anlass.

Turkish Airlines hat im Vergleich zu anderen europäischen Fluggesellschaften auffällig viele Unfälle mit tödlichem Ausgang. Seit 1959 starben laut der Datenbank von Aviation Safety Network nicht weniger als 902 Menschen an Bord von Flugzeugen der Turkish Airlines. Zum Vergleich: Bei Lufthansa waren es im gleichen Zeitraum gerade einmal 152, bei KLM 329, wovon 248 auf einen einzigen Unfall, den Crash von Teneriffa, entfallen. Bei Austrian Airlines kam es in den vergangenen 55 Jahren Jahren gerade einmal zu einem tödlichen Unfall mit 31 Todesopfern, als am 26. September 1960 eine Vickers Viscount in Moskau verunglückte.

Wenngleich nicht alle Unfälle bei Turkish Airlines auf menschliches Versagen zurückzuführen waren, so fällt doch auch die hohe Anzahl an Unglücken auf, an denen die Piloten eine (Mit-) Schuld trugen. Ein Auszug:

  • Am 23. September 1961 stürzte eine Fokker 27 ab, weil die Piloten während des Anfluges zu niedrig flogen - 28 Menschen starben
  • Am 26. Jänner 1974 verunglückte eine Fokker 28 kurz nach dem Start, weil die Crew das Flugzeug in einen überzogenen Flugzeugstand manövrierte und darüber hinaus Eis an den Tragflächen vorhanden war - 66 Menschen starben
  • Fast genau ein Jahr später stürzte eine weitere Fokker 28 ab, weil der Pilot in schlechtem Wetter nach einem Durchstartmanöver offenbar die Orientierung verlor und das Flugzeug ins Marmara-Meer steuerte - 66 Insassen verloren ihr Leben
  • Am 19. September 1976 krachte eine Boeing 727-200 der Airline gegen einen Berg, nachdem die Piloten die Orientierung verloren hatten - 154 Menschen kamen ums Leben
  • Einen Tag vor Weihnachten 1979 stürzte eine Fokker 28 ab - Pilotenfehler, 41 Tote
  • Am 16. Januar 1983 landeten die Piloten ihre Boeing 727-200 bei Nacht und schlechtem Wetter 50 Meter vor der Landebahn, 47 Menschen kamen ums Leben
  • Am 29. Dezember 1994 verunglückte eine Boeing 737-400 der Gesellschaft, nachdem die Piloten bei schlechtem Wetter mit einem Berg kollidiert waren - 57 Todesopfer
  • Am 7. April 1999 crashte eine weitere Boeing 737 von Turkish Airlines kurz nach dem Start, weil die Piloten auf ein technisches Problem nicht adäquat reagiert hatten - die 6 Insassen starben
  • Am 8. Jänner 2003 traf es einen Avro RJ-100, der in schlechtem Wetter abstürzte - auch hier lag ein Pilotenfehler vor, der 75 Menschen das Leben kostete
  • Am 25. Februar 2009 schließlich stürzte eine Boeing 737-800 im Anflug auf Amsterdam ab - die drei Piloten (darunter ein Checkkapitän) reagierten inadäquat auf ein minimales technisches Problem, was schließlich zum Absturz des Flugzeuges führte, bei dem 9 Insassen starben
  • Ende November 2014 lösten die Piloten einer Turkish Airlines 737 Entführungsalarm aus, weil sie bei einem Druckverlust den falschen Transpondercode eingestellt hatten

Und auch der heutige - glimpflich ausgegangene - Landeunfall in Katmandu trägt nicht gerade dazu bei, das Vertrauen in die Sicherheitskultur der Airline zu steigern. Denn möglicherweise tragen hier die Piloten ebenfalls eine Mitschuld, nachdem ein Teil des Fahrwerks offenbar beim Aufsetzen über die Landebahn hinaus ins Gras ragte, soweit bisher bekannt ist.

Insider orten dabei allerdings weniger ein Problem bei Turkish Airlines alleine als vielmehr eines, welches die gesamte Türkei betrifft. Viele, vor allem ältere, Piloten kommen aus den Reihen des Militärs und gelten als "Einzelkämpfer", für die CRM ein Fremdwort ist. Darüber hinaus ist es laut Berichten von Insidern um die Englischkenntnisse türkischer Cockpitcrews oft schlecht bestellt. Dazu komme - berichten ausländische Piloten, die für Turkish geflogen sind - oft auch ein kulturelles Problem, nämlich, dass türkische Männer aufgrund ihrer sozialen Prägung besonders stolz sind und daraus resultierend in den Cockpits mitunter ein strenges Hierarchiedenken herrscht.  All diese Fakten zusammen sind einem sicheren Flugbetrieb nicht gerade zuträglich, wie auch in Pilotenfachforen immer wieder diskutiert wird.

Zum Absturz von Amsterdam im Jahr 2009 meinte ein erfahrener Pilot gegenüber Austrian Wings: "Drei auf dem Papier voll qualifizierte Piloten, einer davon sogar ein Checkkapitän, reagieren 100 Sekunden lang nicht korrekt auf das, was die Maschine macht. Da muss einem ja Angst und Bange werden und ich frage mich echt, was die Kollegen da vorne eigentlich getan haben."

Und auch im JACDEC Sicherheitsranking 2015 rangiert Turkish Airlines mit Platz 49 sehr weit hinten.

Turkish Airlines wäre daher gut beraten, kräftig in CRM-Schulungen und die Etablierung einer wesentlich besseren Sicherheitskultur als in warmes Essen und "fliegende Köche" zu investieren, um Unfälle wie in Amsterdam oder heute in Katmandu künftig zu vermeiden.

E. Szeles / Titelbild: Boeing 737-800 von Turkish Airlines - Foto: Austrian Wings Media Crew

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.