Österreich

Interview: ÖAMTC-Flugrettungs-Chef Reinhard Kraxner zum Nachtflugbetrieb

Reinhard Kraxner am Abend des 1. Jänner im Cockpit von Christophorus 2

Seit 1. Jänner 2017 ist der auf dem Flugplatz Krems Gneixendorf stationierte Christophorus 2 als erster Notarzthubschrauber Österreichs im 24-Stunden-Betrieb. Der ÖAMTC rechnet derzeit mit rund 500 Nachteinsätzen pro Jahr. Austrian Wings (AW) hat mit Flugrettungs-Chef Reinhard Kraxner (RK) über die Besonderheiten und Neuerungen, die diese Einsatzbereitschaft mit sich bringt, gesprochen.

AW: Herr Kraxner, Sie selbst haben gemeinsam mit Robert Huber als Flugretter und Gabriele Golling als Notärztin von 1. auf 2. Jänner den ersten Nachtdienst von Christophorus 2 besetzt. Hatten Sie viel zu tun?

RK: Es gab in dieser Nacht keinen Einsatz, es herrschte zudem teils dichter Nebel, wodurch wir ohnedies nicht fliegen hätten können, sondern Notarzt und Flugretter mit unserem neuen bodengebundenen Einsatzmittel ausgerückt wären.

AW: Können Sie das näher erläutern?

RK: Mit Aufnahme des 24-Stunden-Betriebes von Christophorus 2 wurde auch ein eigenes Einsatzfahrzeug angeschafft. Dieses Fahrzeug verfügt über eine notfallmedizinische Ausrüstung und kommt mit der medizinischen Crew dann zum Einsatz, wenn der Hubschrauber nicht abheben kann. Dadurch kann die diensthabende Crew die bodengebundenen Kräfte auch bei Wetterbedingungen, die einen Flug nicht zulassen, optimal unterstützen.

Das neu beschaffte Einsatzfahrzeug neben Christophorus 2

AW: Verstehen wir das richtig, dass dieses mit Mediziner und Notfallsanitäter besetzte Fahrzeug auch tagsüber ausrückt, wenn der Helikopter nicht fliegen kann?

RK: Das ist korrekt, ja.

AW: Zurück zum Nachtflugbetrieb - wie unterscheidet sich die Fliegerei bei Dunkelheit von der bei Tag?

RK: Zunächst einmal sieht man mit freiem Auge deutlich weniger. Deshalb haben wir für unsere Crews Nachtsichtgeräte (NVG, Anmerkung der Redaktion) angekauft und intensive Schulungen durchgeführt. Doch auch mit den Nachtsichtbrillen ist das Sichtfeld eingeschränkt und auf etwa 40 Grad reduziert. Folglich ist es erforderlich, den Kopf öfter zu drehen um die Umgebung zu scannen.

Sowohl Pilot als auch Flugretter tragen derartige Nachtsichtgeräte (NVG), der Notarzt im hinteren Teil der Kabine ist mit einem Monokel-Nachtsichtgerät ausgestattet

AW: Wie gewährleisten die Crews unter diesen erschwerten Bedingungen, etwa bei Außenlandungen am Notfallort, einen sicheren Flugbetrieb?

RK: Wie schon am Tag gilt auch in der Nacht: Safety first!  Wir haben deshalb spezielle Betriebsverfahren festgelegt und trainiert.

AW: Wie kann man sich das im Detail vorstellen?

RK: Zum Beispiel muss der Landeplatz bei Dunkelheit doppelt so groß sein wie bei Tag, mindestens 50 x 50 Meter. Drehen wir tagsüber regulär eine Erkundungsschleife, so sind es in der Nacht mindestens zwei: eine in 500 Fuß Höhe und eine in 300 Fuß Höhe. Ist sich der Pilot nicht sicher, wird eine weitere Runde geflogen um die Beschaffenheit des Landeplatzes abzuschätzen. Bei der Sicherheit gehen wir keine Kompromisse ein. Außerdem fliegen wir in der Anfangsphase - ich schätze etwa einen Monat lang - mit zwei Piloten. Dadurch können die Hubschrauberführer entsprechende Praxis sammeln, was die Sicherheit zusätzlich erhöht. Denn Erfahrung ist in der Fliegerei durch nichts zu ersetzen.

Rettungsfliegerei ist Teamwork

AW: Tagsüber sind die Christophorus-Hubschrauber binnen drei Minuten ab Alarmierung in der Luft. Wie lange wird es bei den Nachtdiensten dauern?

RK: Hier haben wir eine etwas längere Vorlaufzeit, ich schätze, etwa 8 bis 15 Minuten.

Christophorus 2 samt Einsatzfahrzeug im Hangar auf dem Flugplatz Krems

AW: Weshalb dauert es bei Dunkelheit länger, ehe der Helikopter starten kann?

RK: Weil die Crew, hier vor allem der Pilot, nach der Alarmierung, die ja im Regelfall während des Schlafens erfolgt, zunächst einmal die Wetterlage überprüfen muss. Dazu haben wir auf dem Stützpunkt eine digitale Wetterkarte zur Verfügung, auf der wir Informationen über Temperatur, Nebel, Niederschlag, Luftfeuchtigkeit, etc ... abfragen können. Da wir im Sichtflug unterwegs sind, müssen wir gewährleisten, dass wir sowohl den Einsatzort als auch das Zielspital sicher erreichen können. Wichtig ist auch das Wetter am Stützpunkt, beziehungsweise die Vorhersage, denn schließlich müssen wir nach der Ablieferung des Patienten im Spital wieder zurück nach Krems fliegen.

AW: Wir danken für das Gespräch und wünschen den Christophorus-Crews allzeit eine sichere Heimkehr.

(red / Fotos: Austrian Wings Media Crew)