Reportagen

Christoph Bräuer, Kommandant des Dreamliner-Jungfernfluges nach New York: AUA-Erstflüge als Familientradition

Kommandant des heurigen AUA-Dreamliner-Erstfluges nach New York: Kapitän Christoph Bräuer - Foto ZVG / AUA (die Aufnahme stammt aus 2018). BITTE BEACHTEN SIE DASS UNSERE FOTOS NICHT GEMEINFREI SIND SONDERN NICHT OHNE GENEHMIGUNG VERWENDET WERDEN DÜRFEN - VIELEN DANK.

Als die Boeing 787-9 Dreamliner OE-LPL, der AUA gestern um 17:13 Uhr Lokalzeit zu ihren ersten kommerziellen Langstreckenflug nach New York abhob, stand sie unter dem Kommando von Kapitän Christoph Bräuer, einem erfahrenen Piloten mit gut 18.000 Flugstunden Erfahrung, der seit mehr als 30 Jahren im Cockpit sitzt. Rechts neben ihm hatte Flugkapitän Ulrich Sedlaczek Platz genommen, seines Zeichens Flottenchef für die gesamte AUA-Langstrecke und seit fast 40 Jahren Pilot - mit deutlich über 15.000 Flugstunden. Für Christoph Bräuer war dieser Erstflug übrigens so etwas wie die Fortsetzung einer Familientradition. Denn schon sein Vater führte gleich zwei historischer AUA-Erstflüge durch, wie Patrick Huber für Austrian Wings recherchiert hat. Hier lesen Sie die vollständige Geschichte, mit der man wahrscheinlich ein ganzes Buch füllen könnte.

Mit dem gestrigen Tag begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Langstreckenflüge der Austrian Airlines. Zum ersten Mal seit den 1990er Jahren ging die AUA mit einem neu eingeflotteten Typ, der Boeing 787, wieder auf die Langstrecke. Diesem von den Kapitänen Christoph Bräuer und Ulrich Sedlaczek pilotierten Erstflug, der als OS087 von Wien Schwechat nach New York JFK führte, waren intensive Vorbereitungen, Schulungen von Technikern, Flugbegleitern und Piloten auf den neuen Typ vorausgegangen.

Hier beschleunigt die Crew die OE-LPL auf der Piste 16. Um 17:13 Uhr hob der Zweistrahler ab.

Für das Ausbildungsprogramm und die Umschulung der Piloten verantwortlich: Flugkapitän Christoph Bräuer, Chefausbilder der AUA für die Typen Boeing 777 und Boeing 787. Hierzu muss gesagt werden, dass die Boeing 777 und die Boeing 787 grundsätzlich mit einem Typerating geflogen werden dürfen. Da sich Flugleistungen und Cockpit jedoch in einigen Punkten unterscheiden, müssen Piloten, die von der Boeing 777 kommen, allerdings ein kurzes "Conversion Training" durchlaufen, ehe sie auch die Boeing 787 Dreamliner fliegen dürfen. Die AUA führte zunächst Trainingsflüge ohne Passagiere durch (zB nach Pressburg/Bratislava) und setzte die Boeing 787 danach mit Passagieren im Europaverkehr ein, ehe es heute auf die Langstrecke ging. Es muss eine arbeitsintensive Zeit für Kapitän Bräuer gewesen sein, mit dem wir gerne persönlich gesprochen hätten, doch leider wurde seitens der AUA-Pressestelle keine Interviewmöglichkeit angeboten, ja, es gab - wohl zum ersten Mal seit Jahrzehnten - noch nicht einmal ein feierliches Erstflugevent anlässlich des heutigen historischen Langstreckenerstfluges mit der Boeing 787, alles lief eher still, leise und heimlich ab. Auch auf das Anbringen eines "Austrian-Stickers" zumindest für den historischen Erstflug hatte das AUA-Mangement aus unerfindlichen Gründen verzichtet.

Erfahrener Flieger und Pilotenausbilder
Kapitän Bräuer war es auch, der während der Corona-Pandemie unter anderem den Rekordflug "Austrian One" nach Sydney durchführte, um Österreicher in die Heimat zu repatriieren. Wer aber ist dieser Mann? Er begann seine Karriere nach meinen Recherchen im November 1992 bei der damaligen Lauda Air als erster Offizier auf der Boeing 737-300/400. Bereits im April 1994 wechselte Christoph Bräuer dann auf das Langstreckenmuster Boeing 767-300ER, das später gemeinsam mit der Lauda Air von Austrian Airlines übernommen wurde und das noch heute im Dienst steht. Zur Kapitänswerdung ging es im Sommer 1996 bei Lauda Air auf den CRJ (dieser Typ wurde neben Lauda Air auch von der AUA-Tochter Tyrolean Airways betrieben), den er zwei Jahre lang flog. Ab August 1998 flog Bräuer als Kommandant dann die Boeing 767-300ER, ehe er Anfang 2002 auf die Boeing 777-200ER, die Triple Seven, umschulte - ebenfalls als Kapitän. Seit Frühjahr 2004 ist er außerdem Ausbilder für diesen Typ, stieg acht Jahre später, im September 2012, sogar zum Chief Flight Instructor Boeing 777, also zum Cheffluglehrer für die Triple Seven, bei der AUA auf. Außerdem verantwortete er teilweise die Einflottung zusätzlicher Boeing 777 bei der AUA in den vergangenen Jahren. Seit April dieses Jahres auch als Kommandant für die Boeing 787 qualifiziert, leitet er aktuell die Ausbildung/Umschulung von Piloten für das künftige Flaggschiff der AUA-Langstreckenflotte, welches nun sukzessive die in die Jahre gekommenen Boeing 767-300ER und Boeing 777-200ER ersetzt.

Kerosin im Blut, von Kindesbeinen an
Die Fliegerei wurde Christoph Bräuer förmlich in die Wiege gelegt, mit der Muttermilch gab's schon das sprichwörtliche Kerosin. Denn sein Vater, Charly Bräuer, trat 1963 in die damals gerade 5 Jahre junge Nachkriegs-AUA ein, flog zunächst auf der legendären DC-3 und schulte 1965 auf das viermotorige Turbopropflugzeug Vickers Viscount um. Kurz darauf ging's auf die Caravelle, den ersten Jet der AUA, der "so elegant war, wie es nur eine Französin sein konnte" (O-Ton des Buchautors und ehemaligen Lufthansa-Flugkapitäns Rudolf Braunburg).

Christoph Bräuers Vater, Charly Bräuer, flog alle auf diesem Foto abgebildeten Typen für die AUA: DC-3, Vickers Viscount und Caravelle - Foto: Archiv Austrian Airlines / Flughafen Wien

Im Jahr 1968 wechselte Charly Bräuer zurück auf kleineres Gerät und wurde im gleichen Jahr auf der Hawker Sidley748, einem zweimotorigen Turbopropflugzeug, Kapitän

Erster Langstreckenflug der AUA nach New York: Vater des heutigen Dreamliner-Erstflug-Kommandanten als Pilot im Cockpit
Weil die AUA in dieser Zeit erstmals in ihrer Geschichte die Aufnahme von Langstreckenflügen plante, wurden Charly Bräuer und einige andere junge Kapitäne zu sogannten "Co-Kapitänen" auf die vierstrahlige Boeing 707 umgeschult, wo sie rechts, auf dem Platz des Ersten Offiziers flogen. Denn 1969 mietete die AUA von der belgischen Sabena eine Boeing 707-329, die in Österreich unter der Kennung OE-LBA (heute trägt dieses Kennzeichen der älteste Airbus A321 der AUA, wie unter anderem in meinem Bildband "Der Flughafen Wien in Bildern von 2005 bis 2006" nachzulesen ist) registriert wurde und ging damit auf die Langstrecke.

Mit dieser Boeing 707-329 führte Charly Bräuer 1969 den ersten AUA-Langstreckenflug der Geschichte durch - ebenfalls nach New York - Foto: Frank Ebeling

Der Erstflug erfolgte - wie der heutige Dreamliner-Erstflug - am 31. März 1969 nach New York JFK. Kapitän war ein gewisser Herr Raab, seinerzeit Chefpilot der Austrian Airlines, Charly Bräuer, der Vater des heutigen Dreamliner-Kapitäns Christoph Bräuer, saß auf dem rechten Sitz. Ein namentlich leider nicht mehr zu recherchierender Flugingenieur, der sogenannte "Dritte Mann", hatte rechts hinter den beiden Piloten seinen Arbeitsplatz.

New York nach zwei Jahren eingestellt
Doch diese ersten Gehversuche der AUA auf der Langstrecke waren leider nicht von Erfolg gekrönt und  so retournierte die AUA die von Sabena geleaste Boeing 707 im Jahr 1971 wieder und konzentrierte sich auf ihr Kurz- und Mittelstreckennetz. Für Charly Bräuer bedeutete das die Rückkehr auf die Caravelle, ab September 1972 flog er auf der DC-9, die, gemeinsam mit ihrem Nachfolger, der MD-80 (2005 ausgeflottet), über Jahrzehnte das Rückgrat der AUA-Flotte bildete. Die Architektur des 1977 errichteten AUA-Hauptbüros in Oberlaa (2012/13 abgerissen, heute steht dort ein Gemeindebau) symbolisierte sogar die Heckflosse einer DC-9!

Die DC-9 und die MD-80 bildeten über Jahrzehnte das Rückgrat der AUA-Flotte: Charly Bräuer flog sie alle - Foto: Archiv AUA

Schon der Vater war ein "Macher"
Für die Einflottung der MD-80 war Charly Bräuer, der mittlerweile die Karriereleiter bei der AUA steil nach oben geklettert war, übrigens maßgeblich mitverantwortlich. Ab 1983 war er Schulungsleiter der Airline mit dem rot-weiß-roten Seitenleitwerk. Im Jahr 1988 war es Charly Bräuer, der als Kapitän im Cockpit saß, als die AUA den Papst zunächst von Salzburg nach Innsbruck und dann weiter nach Rom flog.

Flugkapitän Charly Bräuer im Gespräch mit Papst Johannes Paul II - Foto: Archiv
Kapitän Charly Bräuer im Cockpit der AUA-MD-80, mit der der Papst reiste.

Im gleichen Jahr schulte Kommandant Charly Bräuer dann als einer der ersten Piloten auf den Airbus A310 um, von dem die AUA ab 1988 insgesamt vier Exemplare (OE-LAA "New York", OE-LAB "Tokyo", OE-LAC "Paris" und OE-LAD "Chicago") erwarb und fast 20 Jahre nach dem missglückten Langstrecken-Experiment von 1969 mit der Boeing 707 erneut ins Langstreckengeschäft einstieg - diesmal erfolgreich und dauerhaft.

Auch beim zweiten Langstreckenerstflug im Cockpit
Gemeinsam mit dem damaligen A310-Flottenchef, Kapitän Pollak, war es Charly Bräuer, der 1988 bei der zweiten Eröffnung der Verbindung Wien-New York-Wien (auf dem Rückflug) im Cockpit saß - war er 19 Jahre zuvor im analogen Dreimann-Cockpit der Boeing 707 noch auf dem rechten Sitz als Erster Offizier gesessen, so pilotierte er den damals hochmodernen A310, der keinen Flugingenieur mehr benötigte und Bildschirme im Cockpit hatte, bereits als Kommandant mit tausenden Flugstunden Erfahrung. Übrigens hatte sich die AUA zunächst für das Mittelstreckenmodell A310-221 (ohne Wingtip Fences) entschieden, ihre Bestellung später jedoch auf den langstreckentauglichen A310-300 (Wingtip Fences) abgeändert. Die OE-LAA, OE-LAB und OE-LAC waren Maschinen der Baureihe A310-324, die OE-LAD eine A310-325.

A310-324, OE-LAA "New York" der AUA. Als die AUA mit dem A310 zum zweiten Mal Langstreckenflüge nach New York aufnahm (1988) saß Charly Bräuer wieder im Cockpit - diesmal als Kommandant - Foto: Archiv AUA

Seine Leidenschaft für die Fliegerei färbte, wie unschwer zu erkennen ist, rasch auf seinen Sohn Christoph Bräuer (und dessen Bruder, der als Pilot für ein Formel 1 Team der Spitzenklasse Executive Jets fliegt) ab, der die Familientradition der Erstflüge nach New York mit dem gestrigen Tag würdig fortgesetzt hat.

Text: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info