Punktlandung

Corona-Treiber Reisen: Ohne Impfpflicht wird es auf Dauer nicht gehen

Symbolbild Flugverkehr - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Wovor Mediziner schon vor Monaten gewarnt hatten, ist eingetreten: Der Sommertourismus mit seinen vielen Reisenden hat sich als massiver Treiber der Corona-Pandemie erwiesen. In Österreich spricht die namhafte Virologin Dorothee von Laer gar schon öffentlich vom nächsten erforderlichen Lockdown, die Regierung dementiert das nicht einmal mehr. Fakt ist: Ohne Impfpflicht wird es in vielen Lebensbereichen nicht gehen. Auf die Befindlichkeiten und den im Internet abgesonderten geistigen Dünnpfiff von völlig ahnungslosen Esoterikern und Verschwörungstheoretikern darf dabei keine Rücksicht mehr genommen werden.

Während Australien und Neuseeland wegen einzelner Corona-Fälle ganze Millionenstädte in den harten Lockdown schicken, lockerte die Regierung in Österreich rechtzeitig vor dem Sommer so gut wie alle Beschränkungen um weitgehend uneingeschränkten Flugverkehr und Sommertourismus zu ermöglichen - obwohl schon aus den Erfahrungen des letzten Jahres klar sein musste, dass die Sache mit der Eigenverantwortung der Menschen nicht funktionieren konnte und die Zahl der Neuinfektionen "explodieren" würde. Es kam, wenig überraschend, wie es kommen musste und wovor Mediziner im Vorfeld gewarnt hatten: Die Corona-Infektionszahlen stiegen auch heuer wieder kontinuierlich und rasant an. Aufgrund der neu aufgetauchten hochinfektiösen Delta-Variante liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Österreich derzeit bei rund 1.300, während es im Vergleichszeitraum des Vorjahres "nur" etwa 200 waren. Die Spitäler füllen sich, Ärzte warnen bereits vor einer Überlastung der Krankenhäuser in den nächsten Wochen. Ein erneuter Lockdown wird auch von der Politik nicht mehr ausgeschlossen.

Mit verantwortlich für diesen Zustand sind unter anderem die Flugreisen, die mangelnde Eigenverantwortung vieler Passagiere und der Umstand, dass die Regierung bisher zu feige war, eine generelle Impfpflicht auch nur zu diskutieren, und das, obwohl der Gesundheitsminister selbst Mediziner ist. Aber die Vergangenheit hat bekanntlich gezeigt: Die Grünen fallen selbst im Liegen noch um und opfern ihre ureigensten Prinzipien, wenn sie dafür nur Regierungspartner "spielen" dürfen. Vom aktuellen Gesundheitsminister ist daher wohl keinerlei Initiative in diese Richtung zu erwarten.

Die Freiwilligkeit bei der Impfung funktioniert nicht in ausreichend hohem Maße, denn gewisse Esoteriker, manche Rechtsextreme, einige selbsternannte "mündige" Bürger und sonstige Verschwörungstheoretiker hetzen im Internet mit falschen Zahlen, missinterpretierten Statistiken und teils reinen Phantasiebehauptungen gegen die Impfung, die objektiv wissenschaftlich erwiesen das schlagkräftigste Argument im Kampf gegen die Pandemie ist, und haben es so bedauerlicherweise geschafft, eine große Anzahl an Bürgern zu verunsichern. Dabei ist die Wirksamkeit der Impfung unter anderem durch die Spitalszahlen belegt: Zwischen 80 und 90 Prozent der Corona-Patienten auf den heimischen Intensivstationen sind nicht oder nicht vollständig geimpft. Eine jüngst veröffentlichte Studie aus den USA belegt ganz konkret, dass das Risiko eines Spitalsaufenthaltes mit einer Corona-Infektion ohne Impfung 29 Mal höher ist als mit einer Schutzimpfung.

"Mit Stichtag 3. August lagen auf Österreichs Intensivstationen insgesamt 31 Patienten mit einer Covid-19-Infektion. Davon waren 84 Prozent nicht vollständig immunisiert."
Nachrichtenmagazin "Profil" am 8. August 2021

Die Impfung ist in mehrfacher Hinsicht höchst wirksam. Bei einer Vollimmunisierung bietet einen großen Schutz vor einer Infektion und sollte es dennoch zu einer Infektion kommen, so ist das Risiko eines schweren Verlaufs massiv herabgesetzt. Zudem sind vollständig Geimpfte auch weniger beziehungsweise kürzer ansteckend als Ungeimpfte und stellen somit selbst im Fall einer (unbemerkten) Infektion ein geringeres Risiko für ihre Umwelt dar. Die Nebenwirkungen sind im Regelfall gering, aber natürlich nicht gänzlich ausgeschlossen. Es ist (wie das gesamte Leben) eine Risikoabwägung, die eindeutig zu Gunsten der Impfung ausfällt. Nur zur Erinnerung: Selbst an einer einfachen Kopfwehtablette kann man sterben, wenn man Pech hat. Und trotzdem lesen die meisten Menschen wohl nicht mal den Beipackzettel ordentlich, sondern werfen die Tablette mal eben rasch ein, wenn sie Kopfschmerzen haben ...

Es gibt also objektiv keinen vernünftigen Grund, sich nicht gegen Corona impfen zu lassen. Und, das muss in aller Deutlichkeit aber ebenso wertfrei gesagt werden, mehr als 98 Prozent der Menschen in Österreich haben nicht die geringste medizinische Qualifikation, was bedeutet, dass sie mangels Fachwissen überhaupt nicht in der Lage sind, objektiv selbst alle die Vor- und möglichen Nachteile einer Impfung vollumfänglich beurteilen zu können. Um das tun zu können, haben Mediziner eben jahrelang studiert und eine umfangreiche Ausbildung absolviert. Das Argument mit der "persönlichen Freiheit" kann in einer weltweiten Pandemie in diesem Fall nicht greifen. Denn die persönliche Freiheit des einzelnen hat dort zu enden, wo dadurch das Wohl der Allgemeinheit gefährdet wird, was hier ganz klar der Fall ist, wie auch Juristen bestätigen. Freiheit bedingt nämlich immer auch persönliche Verantwortungsübernahme. Wer sich nicht impfen lassen möchte, obwohl er dies könnte, müsste sich folglich selbst von den meisten gesellschaftlichen Aktivitäten ausschließen, um seine Mitmenschen zu schützen - genau das wollen die Impfverweigerer und Verschwörungstheorieschwurbler aber freilich auch nicht. Sie pochen zwar auf ihre "persönliche Entscheidungsfreiheit", verweigern gleichzeitig aber die Verantwortungsübernahme für ihre Entscheidung. So kann's nicht gehen.

"Seit langem vermisse ich eine juristische Klarstellung, dass der Lockdown oder eine Impflicht zum Schutz aller gerechtfertigt war beziehungsweise ist. Ich vermisse das klare Statement, dass die Einschränkung von Grundrechten im Interesse der öffentlichen Sicherheit verfassungsrechtlich nicht nur zulässig, sondern sogar dringend angebracht ist. Die Einschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit des Einzelnen, zumal eben auch kaum eine Gefahr mit der Impfung der Vakzine einhergeht, ist gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, der Erwerbsfreiheit, des Rechts auf Bildung sowie des Rechts auf Privat- und Familienleben des Kollektiven nachrangig und sohin verfassungsrechtlich zulässig."
Rechtsanwältin Rebecca Oberdorfer, im "Standard", 7. August 2021

Es ist klar, dass die österreichische Bundesregierung, die in der Corona-Krise nach anfänglich guten Reaktionen (erster und zweiter Lockdwon) in vielen Belangen mehr als kläglich versagt hat (höflich formuliert), das Thema allgemeine Impfpflicht nicht angreifen, beziehungsweise nicht so (be-)nennen wird. De facto wird aber über die 1G-Regel eine Impfpflicht für viele Lebensbereiche kommen müssen, anderenfalls wird es die "alte Normalität" nie wieder geben können.

"Die 1G-Regel als de facto Impfpflicht wird in vielen Lebensbereichen kommen. Das nennt man die normative Kraft des Faktischen. Jene Menschen, die sich der Impfung dennoch weiter verweigern, obwohl sie medizinisch möglich wäre, werden sich mit dem Ignorieren medizinischer Fakten und dem Festhalten an erbärmlichen Verschwörungstheorien schlussendlich selbst aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausschließen."

Dies gilt umso mehr für Flugreisen, denn Reiserückkehrer machen einen erheblichen Anteil der Neuinfektionen aus. Fakt ist, dass der Aufenthalt in den Flugzeugen rein statistisch sehr selten zu einer Infektion führt, ausgeschlossen werden kann sie dennoch nicht. Immerhin sitzen in einer Flugzeugkabine teils Hunderte Menschen auf engstem Raum zusammen und das Verhalten vieler Passagiere ist leider häufig das Gegenteil von verantwortungsbewusst. Da wird schon mal über eine Stunde lang an der Miniportion im Flugzeug gegessen, nur um "legal" die Maske abnehmen zu dürfen. Intelligent ist das nicht unbedingt. Das größte Risiko lauert freilich im Urlaubsgebiet, wo - oft unter Alkoholeinfluss - dann auch die letzten Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen werden. Und auf dem Rückflug in die Heimat wird das Virus dann binnen Stunden in die ganze Welt weitergetragen.

Derzeit reicht es auf Flugreisen zumeist, einen bis zu drei Tage alten PCR-Test oder Antigen-Test (bis zu zwei Tage alt) vorweisen zu können. Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, ist das nicht genug, denn erstens sind gerade die Antigentests nicht ausreichend zuverlässig und zweitens kann man sich in der Zeit vom Test bis zum Antritt der Reise bereits erneut infiziert haben.

Was es für (Flug-) Reisen daher dringend braucht, ist eine Impfpflicht: Ein Flugzeug darf nur noch dann betreten werden, wenn der Reisende vollständig gegen Corona immunisiert ist und zusätzlich einen maximal 24 Stunden alten PCR-Test bei Reiseantritt vorweisen kann. Vor diesem Hintergrund könnte dann womöglich sogar über ein Ende der zugegebenermaßen lästigen Maskenpflicht an Bord nachgedacht werden.

"Wir brauchen eine generelle Impfpflicht. Es haben sich gefälligst alle Menschen, bei denen das möglich ist, gegen Corona impfen zu lassen, damit auch jene Menschen bestmöglich geschützt sind, bei denen eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Wir haben in einer Gesellschaft nämlich auch die Verpflichtung, auf ihre schwächsten Mitglieder Rücksicht zu nehmen"
Ein Arzt gegenüber "Austrian Wngs"

Mittlerweile haben die ersten großen Fluglinien (Qantas, Swiss, Virign Australia, United Airlines) begonnen, eine Impfpflicht für ihr (Bord-)Personal einzuführen - ein wichtiger und richtiger Schritt. Die Frage lautet daher: Wann ist welche Airline mutig genug, die generelle Impfpflicht für Passagiere endlich einzuführen? Je eher das geschieht, desto eher werden die Mitbewerber nachziehen (müssen). Und dann ist auch die alte Normalität endlich wieder in Reichweite.

Text: HP

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